
Neue Strategien, Tools, Prozesse oder Strukturen: Auf dem Papier ist vieles klar. Doch sobald Veränderung Menschen betrifft, wird es kompliziert. Fast jedes Unternehmen kennt das: Anfangs Begeisterung, dann Zweifel, Frust, Rückzug. Und irgendwann heisst es: „Das hat bei uns halt nicht funktioniert.“
Laut Studien (u. a. McKinsey 2015, Prosci 2021) scheitern zwischen 60 und 70 % aller Veränderungsprojekte, nicht, weil die Strategie falsch war, sondern weil das Change Management zu kurz kam. Warum also ist es so schwierig, Wandel wirklich zu gestalten?
Veränderung löst bei vielen Menschen Unsicherheit aus, ein Gefühl von Kontrollverlust. Das Bekannte gibt Sicherheit, das Neue ist ungewiss. Neurowissenschaftlich lässt sich das erklären: Das Gehirn strebt nach Stabilität. Unbekanntes wird als potenzielle Bedrohung verarbeitet, ein Mechanismus, der evolutionär sinnvoll ist, im Unternehmenskontext aber oft hinderlich wirkt. Veränderung fordert nicht nur neue Prozesse, sondern auch emotionale Verarbeitung.
Erfolgreiche Organisationen nehmen diese Dynamik ernst: Sie schaffen psychologische Sicherheit (Edmondson, 2018), Räume, in denen Mitarbeitende Fragen stellen, Fehler machen und Unsicherheit äussern dürfen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen.
«Wer Kommunikation als einmaligen Newsletter versteht, wird kaum Akzeptanz erzeugen.» Viele Veränderungsprojekte scheitern nicht am Konzept, sondern an der Kommunikation.
Information ≠ Kommunikation. Eine E-Mail mit Projektplan ist keine Change-Kommunikation.
Was fehlt, ist oft die Beantwortung der entscheidenden Fragen:
Change-Kommunikation ist Dialog, kein Monolog. Sie schafft Sinn, Vertrauen und Orientierung. Dazu gehören regelmässige Formate, ehrliche Gespräche und Führungskräfte, die sichtbar und ansprechbar sind.
Change Management ist in erster Linie eine Führungsaufgabe – keine Kommunikationskampagne. Doch viele Führungskräfte fühlen sich im Wandel unsicher: Sie müssen selbst verstehen, mittragen, erklären und gleichzeitig motivieren. Fehlt diese Klarheit, spüren Teams das sofort. Führungskräfte sind nicht nur „Multiplikatoren“, sondern Vertrauensanker. Sie entscheiden, ob Veränderung in der Organisation ankommt oder verpufft.
Was erfolgreiche Führung im Wandel ausmacht:
«Kulturwandel beginnt nicht in PowerPoint, sondern in Begegnungen.»
Der wohl häufigste Stolperstein: die bestehende Unternehmenskultur. Oder wie Peter Drucker es formulierte: „Culture eats strategy for breakfast.“ Veränderung heisst, kulturelle Muster zu hinterfragen, wie Entscheidungen getroffen, wie Fehler behandelt oder wie Zusammenarbeit gelebt wird. Das ist anspruchsvoll, weil Kultur nicht verordnet werden kann. Sie verändert sich nur, wenn Verhalten sich verändert.
Organisationen, die Wandel schaffen, fördern:
Das braucht Zeit und Führung, die Kulturentwicklung als Teil der Strategie versteht, nicht als „weiches“ Nebenthema.
Ein weiterer Klassiker: „Wir müssen schnell Ergebnisse zeigen.“ Zeitdruck führt dazu, dass Change Management zur Nebenaufgabe wird. Workshops werden gestrichen, Kommunikationsmassnahmen verkürzt, Reflexionsrunden entfallen. Das Problem: Menschen brauchen Zeit, um sich zu verändern. Change passiert nicht zwischen zwei Sprints. Er ist ein Lernprozess, der, wie Forschung zur Verhaltensänderung zeigt, Monate bis Jahre dauern kann, bis Neues wirklich verankert ist. Organisationen, die Tempo mit Tiefe verwechseln, riskieren Rückfälle ins Alte. Nachhaltiger Wandel entsteht durch Balance von Geschwindigkeit und Stabilität.
Viele Unternehmen messen, was sie umgesetzt haben, aber nicht, wie gut Veränderung angenommen wurde. Ein neues Tool ist eingeführt, aber wird es auch genutzt? Neue Werte sind formuliert, aber werden sie gelebt? Ohne klare Indikatoren bleibt Change Management unsichtbar und damit oft unbedeutend.
Beispiele für qualitative und quantitative Messgrössen:
Messung ist kein Selbstzweck, sondern Lerninstrument, um zu verstehen, was funktioniert und wo nachjustiert werden muss.
Trotz all dieser Hürden ist erfolgreiche Veränderung möglich, wenn Organisationen Change Management strategisch, menschlich und lernorientiert angehen.
Drei Prinzipien machen den Unterschied:
Unter Kulturarbeit verstehen wir das gemeinsame Erarbeiten und Leben von Werten, das Schaffen einer sicheren Umgebung für Lernen und Veränderung, regelmässige Feedbacks und Retrospektiven, Führungskräfte als Coaches und Enabler:innen, welche die gemeinsamen Werte auch vorleben.
Wie wichtig das gemeinsame Erarbeiten ist, durften wir in einem Projekt erleben, als ein Berater in bester Absicht einen Vorschlag für die Werte einer Organisationseinheit formuliert hatte. Obwohl der Berater vom Leiter der Organisationseinheit beauftragt wurde und die Werte mit ihm und seinem Führungsteam abgestimmt wurden, wurden sie nie wirklich gelebt. Unser Learning: Die Erarbeitung der Werte wäre wohl mit Mitarbeitenden von allen Hierarchiestufen erfolgsversprechender gewesen. Auch wenn es gut gemeint war, beschränken sich Berater:innen bei dieser Aufgabe auf die Moderation des Prozesses, beteiligt sich nicht inhaltlich und ist emotional nicht beteiligt.
Veränderung ist schwierig, weil sie Menschen betrifft. Doch genau darin liegt ihr Potenzial: Sie fordert Reflexion, Dialog und Mut. Organisationen, die Change Management ernst nehmen, schaffen nicht nur neue Strukturen, sie entwickeln eine lernende, anpassungsfähige Kultur, die auch künftigen Wandel meistern kann.


